Kosmischer Christus - Der Atem Gottes

TEIL II

Die Einatmung des Weltenwortes


Im ersten Teil „Kosmischer Christus - Der Atem Gottes“ wurde aufgezeigt, dass der Geburt Christi eine kosmische, allgemeinmenschliche Bedeutung zukommt. Wenn diese Anschauung ihre Richtigkeit hat, müsste dieses Ereignis in seinen Auswirkungen auf unser Leben erkennbar sein.

Die vier Elemente

Die Lebensäußerungen auf Erden beruhen auf den vier Elementen und deren Zuständen: Erde (fest), Wasser (flüssig), Luft (gasförmig) und Feuer (warm). Dabei ist unsere physische Abhängigkeit von dem jeweiligen Element umso größer, je feiner dieses wird. So können wir ohne feste Nahrung Wochen, ohne Wasser Tage, ohne Luft nur Minuten überleben und würde uns die Wärme entzogen, müssten wir sogleich sterben.
Wie aber gestaltet sich das Verhältnis des Menschen zu seiner Leiblichkeit und den einzelnen Elementen vor und nach der Geburt Christi?

Zu Beginn des menschlichen Inkarnationsprozesses umhüllt die Seele noch den Körper und ergreift von außen die physischen Glieder. Intuitiv erkennt sie die sich darin offenbarenden Gesetzmäßigkeiten und setzt diese im Geschichtsverlauf als Werkzeugformen nach außen.(1) Das Ergreifen der Hände und dadurch der Faust führt zum ältesten Werkzeug, dem Faustkeil.(2) Im Weiteren ergreift die Seele den Unterarm und entwickelt die Idee des geraden Werkzeuges, das er zum Schneiden, Schaben oder als Speer verwendet.(3) Das Ergreifen des Ellbogengelenks, durch das sich zwei Geraden zueinander anwinkeln, führt zur Idee der Axt, die als erstes Werkzeug die Gerade überwindet, indem ein Stein rechtwinklig zur Halterung angebracht wird.(4) Das Gelenk des Ellenbogens ermöglicht das Heben und Beugen des Unterarmes. Doch um diese Bewegung zu vollziehen, sind Sehnen notwendig. Das Erleben des Verhältnisses vom Ober- zum Unterarm in der Anspannung und Lösung führt im weiteren Verlauf der Geschichte zum Bau des Bogens.(5) Der Bewegungsablauf des ganzen Arms findet schließlich in der Speerschleuder seine äußere Entsprechung. Ein etwa armlanger Stock mit einem Haken am Ende wird benutzt, um den darauf liegenden Speer mit großer Kraft und Präzision weit zu werfen. (6)
So sehen wir, wie die Seele des Menschen in ihrem Inkarnationsprozess die physikalischen Gesetze des Körpers ergreift und in Form von technischen Geräten heraussetzt, um ihrerseits die äußere Welt zu gestalten.
Während die Arme vorwiegend dem Ergreifen und dadurch der Umsetzung dienen, liegt die Aufgabe der Beine in der Fortbewegung. An der Art, wie der Mensch durch die Geschichte die Möglichkeit erweitert, Entfernungen zu überwinden, können wir ebenfalls feststellen, dass er darin den Elementen vom Festen zum immer Feineren folgt.
So legt er über einen großen Zeitraum vor Christus Wege zu Fuß auf der Erde zurück. Dann baut er Flöße oder Einbäume und vertraut sich dem Element Wasser an. Im weiteren Verlauf der Entwicklung lernt der Mensch die Luft in Form von Windkraft durch Setzen eines Segels zu nützen. Nach Christus wagt er sich mit Hilfe der Segelschiffe auf die Ozeane und erweitert sein Bewusstsein erdumspannend. Im Weiteren beginnt der Mensch in kürzer werdenden Zeitspannen die nächst feineren Elementarebenen zu ergreifen. Zunächst wendet er sich in neuerer Zeit dem Feuer zu und entwickelt die Dampfmaschine, die er dann u.a. zum Antrieb von Fahrzeugen nutzt.
Diese Entwicklung vom Ergreifen des festen zum immer feineren Element können wir ebenfalls in Bezug auf die Technisierung der menschlichen Arbeit, beispielsweise des Kornmahlens, feststellen.
Über Jahrtausende vor Christus wurde das Korn zwischen zwei aufeinander durch Muskelkraft bewegte Steine vermahlen. Erst ab der Geburt Christi wird in relativ kurzer Zeit nördlich der Alpen die Fähigkeit entwickelt, die drei der Erde folgenden Elemente Wasser, Luft und Feuer zum Antreiben einer Mühle einzusetzen. Einzelne Wasser- oder Windmühlen werden in der Geschichte auch vor der Zeitenwende erwähnt, doch in ihrer allgemeinen Verbreitung sind sie erst nach der Geburt Christi nachzuweisen.
Die Anwendung der Wasserkraft stellt einen bedeutenden Wendepunkt in der menschlichen Kulturentwicklung dar, indem der Mensch eine äußere Naturkraft anwendet, um seinen Willen unabhängig von seiner Muskelkraft umzusetzen. Die erste Wassermühle ist um das Jahr Null nördlich der Alpen nachweisbar. Im 12./13. Jahrhundert werden dann die ersten Windmühlen erwähnt. Ende des 18. Jahrhunderts lernt der Mensch, sich die Kraft des Feuers dienstbar zu machen, sodass im weiteren Geschichtsverlauf die durch Dampfmaschinen angetriebenen Mühlen entwickelt werden.
So sehen wir, dass die technische Entwicklung nicht einem Zufall, sondern nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten folgt.
Wenn sich das Ergreifen der Elemente vom festen zum feineren vollzieht, so stellt sich die Frage, ob diese Gesetzmäßigkeit bereits auch zukünftigen Entwicklungen erkennen lässt.

Das fünfte Element

Die „Vier-Elemente-Lehre“ beschreibt unsere materielle Welt. Doch ist sie nicht dazu geeignet, dass der Mensch durch sie einen Zugang zu den sich im Werden vollziehenden Lebensprozessen erhält.
Im Lateinischen wurde das fünfte Element „quinta essentia”, wörtlich „fünftes Seiendes“, genannt und von Aristoteles neben den vier Elementen als Äther eingeführt. Die Alchemie kannte diese Substanz als Spiritus, den Stoff des Lebens. Neben Äther wird das fünfte Element auch als Raum oder Licht bezeichnet, jedoch wird es selten erwähnt, da es sich der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung entzieht. Genau betrachtet, bilden Raum, Licht und Äther die drei übersinnlichen Ebenen des fünften Elements. Diese werden zunehmend in der modernen technischen Entwicklung abgebildet, bestimmen aber auch immer mehr die spirituelle Entwicklung.
Betrachten wir, wie der Mensch die Kraft des Feuers im weiteren Verlauf angewandt hat, so kommen wir am Ende des 18. Jahrhunderts zur Erfindung des Heißluftballons, mit dem er zum ersten Mal nach dem Raum über sich greift. Später ermöglicht die Entwicklung des Verbrennungsmotors, den die Menschheit umspannenden Erdenraum mit Hilfe des Flugzeugs immer mehr zu erfahren, um schließlich durch Raketen tief in den kosmischen Raum vorzudringen.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts werden durch die Relativitätstheorie Albert Einsteins neue Anschauungen über das Verhältnis von Raum und Zeit formuliert. Albert Einstein zeigt, indem er sich in das Licht hineinversetzt und aus dessen Sicht die Welt betrachtet, dass die Zeit und somit auch der Raum keine festen Größen sind. Die sich gleichzeitig entwickelnde Quantenphysik wendet sich den kleinsten Elementarteilchen im Raum zu. So gewinnt die technische Entwicklung des Menschen seit Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt sowohl der makro- als auch der mikrokosmische Raum an Bedeutung.
Die nächste Ebene des fünften Elements, das Licht, beginnen wir in der Gegenwart auf verschiedenste Weise anzuwenden, ob es das Brennen einer DVD, das Einlesen der Ware an der Kasse, das Operieren mit Laser Strahlen, das Steuern von Waffen oder die Benutzung der Solarzelle ist.
Nachdem der Mensch zunächst die beiden ersten Ebenen des fünften Elements, den äußeren Raum und das Licht, durch erweiterte technische Möglichkeiten zu ergreifen und anzuwenden sucht. Die Spiegelung der dritten Ebene des fünften Elements, des Äthers, vollzieht sich bereits anfänglich in der Gestaltung der Lebensprozesse durch die Gen- und Nanotechnologie.
Auf der fünften Elementarebene selbst existiert weder ein dreidimensionaler Raum noch ein Licht, das sich wie auf der physischen Ebene nur indirekt durch seine Sichtbarmachung der Welt unseren gewöhnlichen Sinnen zeigt. Vielmehr offenbart es sich als ein fließendes Licht, das wir unmittelbar mit neuen Organen zu schauen vermögen. Mit folgendem Experiment aus der Quantenphysik wird diese Ebene jenseits der Dreidimensionalität berührt.
Zwei Lichtteilchen (Photonen) werden durch eine bestimmte Anordnung der Versuchsgeräte in einen Zustand gebracht, der als „Verschränkung“ bezeichnet wird. Dabei zeigt sich, dass, wenn die Eigenschaften des einen Photons verändert werden, dies sogleich von dem anderen Photon als neuer qualitativer „Zustand“ angenommen wird. Diese Entdeckung wird in Bezug auf die Kommunikation die Begrenzung durch räumliche Distanz und Zeit überwinden.
So bringt uns die zunehmende Kenntnis über das Verhalten des Lichts mit einer neuen Ebene unserer Existenz, der „Qualität“ in Berührung. Während unsere alltägliche Erfahrung dadurch bestimmt wird, dass zwei Objekte nicht denselben Raum besetzen können, vermögen zwei identische Qualitäten nicht zwei unterschiedliche Räume einzunehmen. Auf diese Weise kann das Element des Lichts als eine Brücke vom Sinnlichen zum Übersinnlichen betrachtet werden, da identische Qualitäten auf der geistigen Ebene die Grundlage der intuitiven Wahrnehmung sind.
Nachdem der Mensch schließlich gelernt haben wird, alle Elemente gleichsam als Abbild seiner selbst in Form eines „technischen Wesens“ in die Welt herauszusetzen, bleibt ihm die Frage nach der Natur des Bewusstseins und des Ichs. Diese Entwicklung sah bereits Goethe in ihren Anfängen auf uns zukommen: „Das überhandnehmende Maschinenwesen quält und ängstigt mich, es wälzt sich heran wie ein Gewitter, langsam, langsam; aber es hat seine Richtung genommen, es wird kommen und treffen. ... Man denkt daran, man spricht davon, und weder Denken noch Reden kann Hülfe bringen. ... Hier bleibt nur ein doppelter Weg, einer so traurig wie der andere: entweder selbst das Neue zu ergreifen und das Verderben zu beschleunigen, oder aufzubrechen, die Besten und Würdigsten mit sich fort zu ziehen und ein günstigeres Schicksal jenseits der Meere zu suchen.“1
Goethes spricht zwei Pole der Kulturentwicklung an: Zum einen spiegelt sich die Wahrnehmung der Elementarebenen unbewusst im Verstand, wodurch der Mensch diese als Abbild in neuartigen Erfindungen in die Welt setzt. Zum andern erweitert sich das allgemeine spirituelle Bewusstsein. Dies deutet sich durch ein neues Wahrnehmungsvermögen an, das das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen verändert, was Maurice Maeterlinck bereits am Anfang des 20 Jahrhunderts beschreibt:
„Weißt Du wohl, wenn Du nicht gut bist, dass es mehr als wahrscheinlich ist, dass Deine Gegenwart dies heute hundertmal deutlicher verrät, als sie es vor zwei oder drei Jahrhunderten getan hätte? … In Wahrheit wird es schwer, im Herzen einen Hass, Neid oder Verrat zu nähren, der sich den Blicken entzieht; so unablässig sind die gleichgültigsten Seelen rings um unser Wesen auf der Lauer. Unsere Voreltern haben uns von diesen Dingen nicht gesprochen, und wir stellen fest, dass das Leben, in dem wir uns bewegen, grundverschieden ist von dem, das sie schilderten.“2
Dieses erweiterte Bewusstsein beruht auf dem zweiten Pol, der in der Menschheitsgeschichte bisher mehr im Stillen verlief und in unserer Zeit immer mehr als spiritueller in Erscheinung tritt. Auch dieser Strom entfaltet sich durch die Elementarebenen, wie es uns im Neuen Testament in den verschiedenen Einweihungsvorgängen der Grablegung (Erde), Taufe (Wasser), Geist- (Luft) und Feuer-Einweihung aufgezeigt wird. In unserer Gegenwart vollzieht sich die Einweihung auf der fünften Elementarebene, im Schauen des Christus im Ätherischen.
So folgt die Menschheitsentwicklung nicht einem blinden Zufall, sondern den Elementen von festen zu immer feineren Zuständen. Nach diesem Prinzip verlaufen auch die Lebensprozesse, indem wir den Keim zuerst der Erde anvertrauen, ihn mit Wasser nähren, er sich zur Luft und Wärme streckt, um allmählich seine Gestalt im Raum zu entfalten und schließlich seine ätherischen Wachstums- und Gestaltungskräfte wieder im Samen zu bewahren.
So erkennen wir die Bedeutung der Geburt Christi, wie sie in dem Rhythmus der Ein- und Ausatmung des Göttlichen, des Sterbens und Auferstehens, des sich Entfernens und Heimkehrens, den Wendepunkt einleitet, indem durch Seine Hingabe die Erd- und Menschheitsentwicklung von der Verfestigung und dem Tod wieder zum ewigen Leben geführt wird:
„Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche; so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ (Joh 17,1-5)


Anmerkungen

1 Johann Wolfgang Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre, III. Buch, 13. Kapitel.

2 Maurice Maeterlinck, Der Schatz der Armen, Jena 1906, S. 20 f.

Von Zoran Perowanowitsch sind Bücher im Verlag www.kitesh.de erschienen.

Neuerscheinung 2022: „Die Wolke des Nichtwissens“, Übertragung aus dem Mittelenglischen mit Erläuterung aller Briefe.

Der Atem Gottes I Wissenschaft Zitate Artikel von Zoran Perowanowitsch