Kitesh Verlag

Die Natur der „Kosmischen Jungfrau Sophia“

Wenn wir der Natur der „Kosmischen Jungfrau Sophia“ nachgehen, werden wir bei den Mystikern unterschiedliche Aussagen finden, die im Grunde nur darin übereinstimmen, dass es sich bei ihr in ihrer weisheitsvollen, jungfräulichen Reinheit um den mütterlichen Aspekt des Göttlichen handelt.
Wir sollten daraus jedoch nicht schließen, dass selbst tiefe spirituelle Erfahrungen zu keiner objektiven Erkenntnis führen können. Die Menschen sind ihrer Natur nach individuelle Wesen, und so gleicht auf der spirituellen Ebene, wie im Physischen, keine Erfahrung der anderen. Es wäre auch falsch, die verschiedenen Beschreibungen als widersprüchlich zu betrachten. Abhängig von der spirituellen Reife offenbaren sich dem Erfahrenden bestimmte Aspekte. Daher ist es von Bedeutung, in den überlieferten Aussagen und Symbolen zur "Kosmischen Jungfrau Sophia" nach Entsprechungen zu den eigenen Erfahrung zu suchen, um diese auf ihren objektiven Charakter hin zu überprüfen.

Die sich verändernde Ausrichtung des Bewusstseins

Wenden wir uns den Religionen, den verschiedenen spirituellen Strömungen oder den Mystikern zu, das Wissen um die „Kosmische Weisheit Sophia“ ist allen, wenn auch unter verschiedenen Namen, bekannt. Das ist nicht verwunderlich, da uns Menschen nicht nur eine physische, sondern auch eine seelisch-geistige Leiblichkeit zu Grunde liegt.

So wurden in allen Kulturen aus einer tief in unserer Seele verbliebenen Erinnerung heraus nach Wegen gesucht, die Trennung vom Göttlichen Ursprung zu überwinden. Die diese Sonderung verursachenden Seeleneigenschaften wurden als Sünde bezeichnet. Um die Gründe der Trennung und deren Verlauf verständlich zu machen, wählten die Eingeweihten in der Paradieseslegende der Bibel das Bild einer Schlange, die sich um den vertikalen Stamm eines Himmel und Erde verbindenden Baumes windet. Die himmlische Heimat der Seele ist jenseits aller Dimensionen, jenseits einer polaren Anschauung, und so wird durch die erste Verführung, das Essen der Frucht vom „Baum der Erkenntnis“, die Hinneigung des menschlichen Bewusstseins zum Physischen geschildert. Die Folge davon besteht darin, dass die Augen für das Erkennen der vertikalen Polarität von Himmel und Erde, von Gut und Böse aufgetan werden. In diesem Vorgang drückt sich die erste Phase der Inkarnation der Seele aus. Die als Verführerin aufgerichtete Schlange muss zur Strafe für immer auf der horizontalen Ebene leben. Doch auch Adam und Eva vollziehen die zweite Phase der Inkarnation von der Vertikalen zur Horizontalen. Lebte die Seele in der Vertikalen noch im „Wir-Bewusstsein“, so in der Horizontalen in der Polarität von Ich und Du, sodass sich Adam und Eva in ihrer Nacktheit als männlich und weiblich erkennen.

Durch eine solche innere Schau wussten die Weisen der Vorzeit, dass wir den umgekehrten Weg gehen müssen, um uns zuerst aus der Bindung an die horizontale und schließlich auch aus der an die vertikale Polarität zu lösen und so die verlorene Heimat jenseits der Polarität wiederzugewinnen. Für diese Rückführung zu unserem geistigen Ursprung entstanden Religionen. So wurden in den Jahrtausenden der Kulturentwicklung verschiedene spirituelle Wege entwickelt, um den unterschiedlichen Charakteren gerecht zu werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich zuerst der „Person“ des Menschen zuwenden, da diese aus der Identifikation mit der horizontalen Ebene unseres Bewusstseins ihre Existenz erhält. Durch bestimmte Meditationen, begleitet von der Entfaltung moralischer Werte, wurde die Verobjektivierung der eigenen Person angestrebt, sodass sich die Seelenhaltung von der horizontalen zur vertikalen Achse im Menschen verlagert, wodurch sich die Fähigkeit verstärkt, unmittelbar um seinen jeweiligen Bewusstseinszustand zu wissen.

Durch die neu gewonnene vertikale Bewusstseinshaltung findet sich die Seele zwischen Himmel und Erde gestellt und erkennt qualvoll ihre eigene Unvollkommenheit, sodass die Sehnsucht nach ihrer ursprünglichen Reinheit erwacht. Diese entfaltet in uns die Fähigkeit, das, was wir zuvor für unser „Ich“ gehalten haben, lediglich als sich in einem „Raum“ vollziehende Prozesse zu schauen und einer Idee, unabhängig davon, ob sie uns selbst zum Vorteil gereicht, folgen zu können. In unserer Zeit ist das vertikale Bewusst-Sein ein kulturtragender Faktor, was sich menschheitlich im Erwachen eines „Wir-Bewusstseins“ äußert, wodurch Ideale wie die allgemeinen Menschenrechte hervorgehen. Die uns bisher durch die horizontale Bewusstseinsebene, die Polarität von Ich und Du, von männlich und weiblich, von West und Ost bestimmenden Herausforderungen verlagern sich, sodass Gleichberechtigung nicht mehr hinterfragt und die polare Spannung zwischen Ost und West zu überwinden gesucht wird. Auch der Übergang von der Nutzung der aus Abbauprodukten von toten Pflanzen und Tieren entstandenen fossilen Energie zu neuen Energieformen, die nicht der Dunkelheit, sondern dem Licht abgerungen werden, entspricht dem neuen Bewusstsein. Ebenfalls suchen sich die verschiedenen Völker unabhängig ihrer horizontalen geographischen Lage unter einer Idee zu organisieren. Menschen, die hierfür aus sich heraus noch nicht die individuelle Reife erlangt haben, empfinden sich in ihrer Existenz bedroht, da dieses vertikale Bewusstsein inzwischen unsere Gesellschaft weitgehend bestimmt, und wehren sich gegen die „da oben“. Dadurch beginnt sich in unserer Zeit die Menschheit zunehmend zu spalten. Wir sehen Menschen, die sich zu den allgemeinen Menschenrechten bekennen, während andere sich zwar auch um eine gemeinsame Idee scharen, sich jedoch durch egoistisch-destruktive Neigungen nicht in einem alle umfassenden „wir“ finden, sondern in einer sich neu abgrenzenden Polarität von „wir und die“.
Wenn wir auch gehofft hatten, dass sich die Kulturverhältnisse nach der Überwindung der politischen Ost-West Spannungen zum Guten wenden, so haben wir vergessen, dass Entwicklung kein linearer Prozess ist, sondern immer einer Wellenbewegung folgt.

Das „Haus“ der Kosmischen Sophia

König Salomo besingt die „Göttliche Sophia“ in seinem Preislied: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, hat ihre sieben Säulen ausgehauen“ (Spr 9,1) und „Sie ist der Abglanz des ewigen Lichtes, der ungetrübte Spiegel von Gottes Macht, das Abbild seiner Vollkommenheit (Weish 7,26).
Um diese Aussage zu verstehen, in der sowohl der Weg zur „Kosmischen Sophia“ als auch deren Erfahrung aufgezeigt wird, müssen wir uns dem Ich-Erleben des Menschen zuwenden. Zwar existiert nur ein Göttliches ICH, doch wir schauen auf das „Ich“ unserer Person aus eben diesem irdischen „Ich“ heraus, das selbst keine Eigenexistenz besitzt und sich somit seiner selbst nicht bewusst werden kann. Es gibt kein „Ich“, dessen wir uns entledigen müssen, um spirituell zu reifen, sondern nur Gedanken, Vorstellungen über das ICH. Wenn wir „Ich“ zu uns sagen, beziehen wir uns, ohne dass es uns zum Bewusst-Sein kommt, allein auf das ICH, das seine Wohnstätte inmitten der Brust hat. Doch wir umkleiden dieses unser Göttlichen ICH sogleich mit Eigenschaften, die wir an den polaren Verhältnissen unseres Daseins entwickelt haben. Das ICH gründet nicht in Dimensionen, ES durchdringt diese und ist zugleich jenseits aller Dimensionen. Dies drückt Angelus Silesius im „Cherubinischer Wandersmann“ an verschiedenen Stellen aus, indem er sagt:

„Gott ist nichts und alles“

„Die zarte Gottheit ist ein Nichts und Übernichts“

„Wem Nichts wie Alles ist und Alles wie ein Nichts, Der wird gewürdiget des Liebsten Angesichts“

Obwohl wir unser „Ich“ im Stirnbereich zwischen den Augen wahrnehmen, berühren wir, wenn wir auf uns zeigen, spontan die Mitte unserer Brust. Das hat seine Richtigkeit. Denn wenn wir durch Meditation und ein aufrechtes Leben die Identifikationen des ICHs mit Eigenschaften aufzulösen beginnen, entziehen wir dem „Ich“ die Grundlage seiner Existenz, wodurch der „Ort“, die Fixierung zwischen den Augen, aufgehoben wird.
Löst sich das „Ich“ aus der Zentrierung zwischen den Augen, werden Prozesse ausgelöst, die wir in verschiedenen Kulturen dargestellt finden.
Auf dem ersten Bild sehen wir den Hermesstab oder Caduceus, eine von zwei Schlangen umwundene Vertikale. Der „Ort“, zu dem sich die zwei Schlangenköpfe hinwenden, entspricht der Zentrierung des „Ich“ zwischen den Augen. Die Flügel symbolisieren die über das Haupt zum „spiegelgleichen Bewusst-Sein“ hinaus erblühende Seele.
Das zweite Bild hat seinen Ursprung in der hinduistischen Weisheit. Danach ruhen im Becken des Menschen zwei Schlangen, die, wenn sie erweckt werden, in ihrer männlichen (Sonne) und weiblichen (Mond) Energie aufzusteigen beginnen. Wiederum wenden sich die zwei Schlangenköpfe der Zentrierung des „Ich“ zwischen den Augen zu. Wird das oberste Scheitelzentrum erreicht, werden wir nach der östlichen Weisheit eins mit der kosmischen Seele, dem reinen „spiegelgleichen Bewusst-Sein“, das am obersten Ende wie bei dem Hermesstab durch einen Spiegel dargestellt wird. Doch die Weisen wussten um die Gefahr, die droht, wenn die Meditation nur als reine Technik, ohne die Bemühung um die Läuterung des Charakters verstanden wird. Deshalb forderten sie die Schüler auf, zuerst die Herzenskräfte zu entfalten, bevor sie, ohne moralisch gereift zu sein, diese Energien weckten und von deren Feuer „verbrannt“ würden.
Auf dem dritten Bild des 1696 erschienen Buches „Theosophia Practica“ stellt der christliche Mys -tiker Georg Gichtel sieben Zentren der inneren Entwicklung dar, die wie in der östlichen Weisheit den sieben Planeten zugeordnet sind. Das Bild stellt den Fall Adams dar, der sich durch sein „igensein“ vom Göttlichen Ursprung abgesondert hat und dadurch zum „irdischen finsteren Menschen“ wurde, dessen Wesensmitte, das Herz, von der Schlange umwunden wird. Doch dem Menschen wurde nicht die Möglichkeit genommen, sich durch die Läuterung der Seele mit der „himmlischen Sophia“, die Gichtel als den „Spiegel der Gottheit“ bezeichnet, zu vermählen und dadurch seine ursprüngliche Heimat wiederzugewinnen. Bevor die Seele jedoch durch die sieben „Tore“ schreitet, um den Prozess des Aufstiegs von unten nach oben zu vollziehen, muss die Ich-Zentrierung zwischen den Augen gelöst werden, sodass das Ich wie zum Grund (Becken) eines Turmes hinabfällt. Es vollzieht sich die „Wassertaufe“, in der die „Schlange“ aus ihrer horizontalen Lage erlöst wird, sich aufzurichten beginnt, um dann je nach innerer Reife die einzelnen Zentren zu ergreifen oder wie in einem Sprung, in einem „Nu“, die Begrenzung des Hauptes durch das Scheitelzentrum (Saturn) zu überwinden.
Somit bildet der physische Leib mit seinen „sieben Zentren“, nach König Salomo den „sieben Säulen“, das „Haus“ der „Kosmischen Sophia“, durch das die Seele bis zum „Tor des Hauptes“ aufsteigt, um jenseits des Physischen das reine spiegelgleiche Bewusst-Sein, nach König Salomo, den „ungetrübten Spiegel von Gottes Macht, das Abbild seiner Vollkommenheit“ zu realisieren.

Die intuitive Erfahrung der Jungfrau Sophia

Es gibt Zeiten des Mühens und Zeiten des Loslassens. Doch wissen wir nicht, was wir durch unser Bemühen und was durch Gnade erfahren. Jedoch können wir hoffen, dass unser Bemühen die Gnade einlädt.
Wenn wir die Pforte des Hauptes überwinden, erblühen wir, bildlich mit Novalis gesprochen, zu einer „blauen Blume“. Das Erblühen der Blume beschreibt die Erweiterung der Seele zum kosmischen Raum, der reines Bewusst-Sein ist. Die Farbe Blau steht für das Schauen der geläuterten Seele, die in reinem Himmelsblau erstrahlt. Diesen „Seelen-Raum“ erleben wir als von Sternenfunkeln erfüllt, der Sternensphäre zugeordnet und er wird als Astralleib bezeichnet. Wenn diese Erfahrung auch jenseits der Dimensionen und Zeit leer aller Formen ist, handelt es sich nicht um ein „Nichts“, sondern um die geläuterte „jungfräuliche Seele“. Der Name „Kosmische Jungfrau Sophia“ weist bereits auf ihre drei Seinsqualitäten hin, den Raum, die Reinheit und Weisheit. In den Darstellungen der Mutter Jesu als „Jungfrau Maria“ erkennen wir die irdische Repräsentantin dieser Eigenschaften, indem sie mit einem sternenbesetzten blauen Umhang und zwölf Sternen um das Haupt umgeben ist.
Wenn sich in der Erfahrung der „Kosmischen Sophia“ das Bewusst-Sein seiner Selbst bewusst geworden ist, verändert sich auf der physischen Ebene unsere Wahrnehmung. Haben wir zuvor den Raum abstrakt von drei Dimensionen bestimmt verstanden und die in sich abgeschlossenen Formen von Leere umgeben, so erfahren wir nun den Raum selbst von Bewusst-Sein und Geist erfüllt. Dadurch dass dieser allgemeine Raum in seiner Leere keine Form angenommen hat, vermag er selbstlos alles Gewordene zu beinhalten. Doch nicht nur in dem die Formen ermöglichenden Raum offenbart sich die „Kosmische Sophia“ als Bewusst-Sein, welches Geist ist, sondern auch in den Formen selbst schauen wir sie, indem sich an einem „Ort“ innerhalb des allgemeinen Bewusst-Seins wiederum Bewusstseinsqualitäten bilden, an denen sich der Kosmos spiegelt. Diese veränderte Art der Wahrnehmung liegt der Aussage von Angelus Silesius in dem Cherubinischen Wandersmann zugrunde, wenn er feststellt:

„Wer nichts in allem sieht, Mensch, glaube, dieser sichts“.

Wir finden diese Anschauung unserer physischen Existenz ebenfalls in dem „Herz-Sutra“ des Mahayana-Buddhismus wieder:

„Form ist nicht verschieden von Leerheit,
Leerheit ist nicht verschieden von Form.“

Die Schöpfung entsteht somit durch das „spiegelgleiche Bewusst-Sein“ der „Kosmischen Sophia“, sodass wir aus diesem Verständnis die Aussage des weisen Königs Salomo über Sophia als den „ungetrübten Spiegel“ in neuem Licht verstehen.
Seine weitere Aussage, dass die „Kosmische Sophia“, ihr Haus aus „sieben Säulen“ ausgehauen hat, bezieht sich nicht nur auf den physischen Leib mit seinen „sieben Zentren“, sondern auf die ganze Schöpfung Gottes, die auf der Siebenzahl der Zeit, der Vergänglichkeit beruht. Somit bildet Sophia als Bewusst-Sein und Geist die „Substanz“, die „Leiblichkeit“, durch die das Göttliche erschafft. Diese Anschauung bestätigt der Mystiker Jakob Böhme, indem er die himmlische Sophia als „Gottes Leib“, den „Spiegel“ aller Wesen bezeichnet und in Sophia den weiblichen Aspekt Gottes erkennt, weil sich sein Wille durch sie “ausgebärt“… Sie ist sein “Werkzeug“ zur Schöpfung … weil Gott sich durch sie offenbart und verwirklicht.“1 Somit ist eine jede Form geronnenes Bewusst-Sein, geronnener Geist. So preist Salomo die „Göttliche Weisheit“, indem er Sophia folgende Worte aussprechen lässt:

„Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.
Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war“ (Spr. 8,22-23).

Die raumschaffende Geistnatur der Sophia bildet die Ursubstanz der Schöpfung, was auch Hildegard von Bingen zum Ausdruck bringt: „Denn diese Gestalt [Sophia] bezeichnet die Weisheit Gottes, weil ja alles durch sie von Gott geschaffen wurde und regiert wird“ (Cchr. CM 43A, 538f).
Die aktuelle wissenschaftliche Forschung behandelt nicht explizit das Konzept von „Raumesqualitäten“, jedoch kommt sie zu dem Schluss, dass das Universum und jede Form nahezu gänzlich aus leerem Raum besteht.

Sophia-Heiliger Geist

Wie verhält sich die Erfahrung der „Kosmischen Jungfrau Sophia“ zu der Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist?
Wer die Tendenz in sich trägt, das Irdische zu fliehen und das Übersinnliche zu erhöhen, wird im intuitiven Erleben der Sophia der großen Versuchung ausgesetzt, nur das eigene Heil zu suchen. Auch wenn unser Bestreben darin bestand, vorwiegend durch Konzentration übersinnliche Erfahrungen zu gewinnen und okkulte Fähigkeiten zu entwickeln, werden wir nicht gut vorbereitet sein. Wie erhaben die Erfahrung der „Kosmischen Sophia“ in ihrer Reinheit und Zeitlosigkeit auch ist, darf sie uns, wenn wir unsere Seele weiter zu entfalten suchen, nicht selbstgenügsam werden lassen.
Eine selbstlose innere Haltung kann dagegen zum Schauen des Christus als den „Großen Hüter der Schwelle“ führen, der sich uns aus der Bläue des geläuterten Astralleibes offenbart und uns den Weg weist, um Ihm gleich werden zu können. So werden wir uns aus der Erkenntnis, dass eine eigene Erlösung nicht möglich ist, ohne alle Menschen, ja selbst die ganze Schöpfung einzubeziehen, wieder der Erde zuwenden.
Durch diese Offenbarung wird uns die Aussage des in der Ostkirche verehrten heiligen Nilus, eines Asketen aus dem 4. Jahrhundert, verständlich: „Wenn einer seinen Geist im Ruhestand sehen will, muss er sich von allen Gedanken leermachen, und dann wird er jenen schauen, der gleich einem Saphir ist oder wie die Himmelsfarbe.“2
Wie aus einem tief in uns liegenden Wissen entflammt die Sehnsucht nach dem verlorenen „Ort“, der Heimat der Seele. Es ist diese Sehnsucht, diese mitfühlende Liebe, welche das Herz zu öffnen vermag, durch das CHRISTUS sich als unser SELBST, als das ICH aller Menschen offenbart. Wenn wir uns mit dieser unserer innigsten Wesenheit wieder der „Kosmischen Sophia“ zuwenden und das reine selbstlose Bewusst-Sein, welches GEIST ist, mit unserem SELBST durchdringen, dann wird der GEIST durch das CHRISTUS-ICH geheiligt und erstrahlt im GEIST-SELBST als HEILIGER GEIST.
Somit entspricht die Erfahrung der „Kosmischen Sophia“ nicht der des Heiligen Geistes, was auch Rudolf Steiner in den folgenden Worten zum Ausdruck bringt: „Durch alles das, was der Mensch aufnimmt in der Katharsis, reinigt und läutert er seinen astralischen Leib zur „Jungfrau Sophia“.
Und der „Jungfrau Sophia“ kommt entgegen das kosmische Ich, das Welten-Ich, das die Erleuchtung bewirkt, das also macht, daß der Mensch Licht um sich herum hat, geistiges Licht. Dieses Zweite, das zur „Jungfrau Sophia“ hinzukommt, nannte die christliche Esoterik - und nennt es auch heute noch - den „Heiligen Geist“.3


Bild 1 Der Sündenfall, Codex Vigilanus; 11. Jh.
2 World History Archive
3 https://www.pinterest.at/pin/645985140270619383/
4 Georg Gichtel, Theosophia Practica, 1696.

Anmerkungen:

1 Lucinda Martin, Offenbarung und Episteme, Zur europäischen Wirkung Jakob Böhmes im 17. und 18. Jahrhundert.
2 Enomiya-Lassalle, Zen und christliche Mystik, Freiburg im Breisgau 1986, S. 440.
3 GA 103, S. 201.