Der Kampf um die menschliche Mitte IV
Die harmonisierenden Seelenkräfte der Mitte
In dem ersten Teil dieser dreiteiligen Arbeit wurde am Beispiel einer inneren Erfahrung aufgezeigt, wie die sich entfaltende Kultur ein Abbild geistiger Gesetzmäßigkeiten ist und dadurch im engen Zusammenhang mit der Bewusstseinsentfaltung des Menschen steht.
Somit sind die Vesuchungen geistiger Wesenheiten, die im zweiten Teil behandelt wurden und nach der anthroposophischen Geisteswissenschaft als Luzifer, Ahriman, Asuras und Sorat bezeichnet werden, nicht eigenständige Vorgänge, die von Außen als etwas vom Menschen Unabhängiges auf ihn zukommen, um ihn als das Böse zu versuchen. Diese Erkenntnis führt jedoch nicht zu einer passiven Seelenhaltung, sondern zu der Anschauung, dass es eine Erlösung ohne Einbeziehung des „Du“ nicht geben kann.
In dem dritten Teil sollen nun die Bewusstseinsstufen auf dem inneren Weg zum Schauen des lebendigen Christus aufgezeigt werden, denn sie bilden zugleich die ausgleichenden Seelenkräfte, um diesen Versuchungen zu begegnen.
Sie kommen in den folgenden Aussagen des Christus: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, zum Ausdruck. Da der Christus darin den Anfang und das Ende umfasst bildet er, unabhängig unter welchem Namen er in den unterschiedlichsten Kulturen wirkt, das Zentrum jeder Entwicklung.
Die Umwandlung der polaren Seelenkräfte
Um die in der Menschenseele wirkenden polaren Kräfte zu erkennen, müssen diese in aufmerksamer und verantwortlicher inneren Haltung immer mehr zugelassen werden. Dies bedeutet jedoch, die eigene Ich-Bezogenheit aufzugeben. Eine vorgeschobene Harmonie beispielsweise durch die innere Einstellung „Ich bin ein Christ“ oder „Ich bin ein Anthroposoph“ führt weniger zu den dahinterstehenden Idealen, sondern eher zu einem ausschließenden Standpunkt. Die damit verbundene innere Starrheit der Seele verhindert, diesen sehr beweglichen und sich ständig im Wandel befindenden polaren Wirksamkeiten folgen zu können. Daraus entsteht ein statisches Verständnis für das Luziferische und Ahrimanische. Die Zuordnungen weich, hart, auflösend oder verhärtend, sind Tendenzen, die nur in Relation gesehen werden können. In Einem wirkt beides und das Eine geht ständig aus dem Anderen hervor. Es sind zwei sich dynamisch ineinander windende Äußerungen als lineare Wirksamkeiten. In ihrer Wechselwirkung und dem sich ständigen Auflösen im „gegenwärtigen Augenblick“ erzeugen sie den Wandel, die Metamorphosen unserer Welt.
Jede Polarität ist ursprünglich eine positive Seelenkraft, die jedoch, da sie ihren Bezug zur Mitte verloren hat, aus dem Gleichgewicht gekommen ist. Um die übergeordnete Einheit der polaren Kräfte wieder bewusst zu ergreifen, müssen diese zu ihrem eigenen Ursprung geführt werden.
Im Symbol des Kreises sahen die verschiedenen Kulturen das Bewusstsein der Einheit ohne ein Zweites ausgedrückt. Erst als aus der Einheit die Zweiheit, die Polarität von Weiblich und Männlich, von Auflösung und Verhärtung hervorging, war die Voraussetzung gebildet, dass daraus ein Drittes hervorgeht, die Welt der Erscheinungen. In der biblischen Schöpfungsgeschichte drückt sich dieser Zusammenhang in der Erschaffung von Adam und Eva durch Gottvater aus, die dann den Tieren ihren Namen geben und den Beginn der Menschheit bilden.
So haben wir im Symbol des Kreises die übergeordnete Einheit, in der sich die ursprünglichen Qualitäten der polaren luziferischen und ahrimanischen Kräfte in Harmonie ergänzen, vor uns. Der Kreis bildet auch das Symbol für die Null, die als Zahl weder negativ noch positiv ist und somit beide Polaritäten beinhaltet.
Wenn aus dem Kreis, bildlich gesprochen, die Zweiheit hervorgeht, so beginnt er sich langsam zu teilen. Es sind dann zwei sich in der Mitte überschneidende Kreisflächen die die polaren Kräfte darstellen. Desto weiter sie sich auseinanderbewegen und die gemeinsame Schnittfläche und somit der Bezug zur Mitte kleiner wird, um so stärker werden die luziferischen Kräfte der Auflösung und die ahrimanischen Kräfte der konzentrierten Verhärtung.
Führen wir nun innerlich durch die uns aus der heilenden und sinngebenden „Mitte“ zukommenden Kraft, welche nach der christlichen Spiritualität mit dem Namen des Christus verbunden wird, die beiden Kreise wieder zueinander, so beginnen sie sich mit dem Größerwerden der Schnittfläche gegenseitig wieder so zu durchdringen und ergänzen, dass sich ihre jeweiligen ursprünglichen harmonischen Aspekte zu offenbaren beginnen. Die Seelenkräfte der Auflösung wandeln sich allmählich in die der Hingabe um.
Je mehr sich also Luzifer auf das innere Licht der Mitte zubewegt, um so mehr verwandelt sich der Sog der Auflösung in die durchwärmte Kraft der bewussten Hingabe. Diese übt nicht wie zuvor eine ich-auflösende, von der Verantwortung dem Erdenleben gegenüber wegführende Wirkung, sondern wendet sich dem Lebendigen zu, welches sich im Kosmischen und Irdischen offenbart.
Je näher sich Ahriman dem Licht der Mitte nähert, findet eine Erlösung aus der konzentrierten Verhärtung statt, woraus die Seelenkraft der bewussten, hingebungsvollen Aufmerksamkeit erwacht. Aus dieser neugewonnenen bewußten Mitte heraus wird eine unmittelbare Wahrnehmung sowohl der inneren, als auch der äußeren Welt möglich. Da sich das Ich nicht weiter durch die Hinwendung zu dem ahrimanischen verengenden „Nein“ und dem sich auflösenden luziferischen „Ja“ in der Seele begrenzt, sondern zwischen den polaren Einseitigkeiten in sich zu ruhen beginnt, erfährt es nun die äußere Welt nicht mehr als etwas von sich Getrenntes und die innere Welt als nicht mehr mit sich selbstverständlich identisch. Die äußere Welt wird dadurch zur Innen- und die innere zur Außenwelt.
Die polaren Kräfte werden auf diesem Weg jedoch nicht zugunsten einer metaphysischen Einheit geleugnet und dadurch in die Welt hinausgestoßen, sondern in ihre Urstände zurückverwandelt, um der weiteren Entwicklung zu dienen. Hier haben wir den ersten Schritt auf dem Weg, auf dem bereits das Christuslicht in seinem Wirken erkennbar ist. Darin bewahrheitet sich das Christuswort „Ich bin der Weg“.
In diesem Gleichgewicht der Seele fühlt sich der Mensch in der Ruhe gesammelt und beginnt sich seiner eigentlichen geistigen Wesenheit bewusst zu werden.
Wird dieser Weg der Umwandlung der polaren Kräfte aus der Mitte heraus in aller Stille gegangen, so tritt in einem Zeitraum, der willentlich nur vorbereitet werden kann, der Augenblick ein, in dem die Polaritäten beginnen, von der seelischen, in Bezug zur Sinneswelt mehr horizontalen Ebene in die vertikale Bewusstseinssphäre überzugehen.
Wenn bildlich gesprochen von der Mitte ausgehend den luziferischen Einflüssen eine linke und den ahrimanischen eine rechte Horizontallinie zugeordnet wird, werden in dem Maße, wie sich der Mensch aus der sinnlichen Gebundenheit dieser widerstreitenden Einflüsse herauslöst, diese Linien immer kürzer. Indem sich die beiden Linien immer mehr der Mitte nähern, entsteht der „Nullpunkt“, als Voraussetzung eines neuen Werdens. Hierin haben wir den Beginn einer erneuten Offenbarung der polaren Kräfte, die jedoch nun die Menschenseele nicht mehr von ihrer Mitte nach links oder rechts ablenken, sondern durch ein Spannungsverhältnis von Oben und Unten die Bewusstwerdung einer neuen Qualität der Mitte ermöglichen. In diesem vertikalen harmonischen Spannungsverhältnis von Himmel und Erde, von Luzifer und Ahriman erwacht das eigentliche Erden-Ich des Menschen, das der Bewusstseinsseele, welches in der Vertikalen ruht. Nach unten zur Erde hin entwickeln sich die Wurzelkräfte, nach oben hin in Entsprechung und Abhängigkeit zu unten öffnet sich das Haupt zu den kosmischen Weiten.
Darin wird zum ersten Mal die Natur des reinen Bewusstseins oder, nach der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, die des Geistselbst, oder der kosmischen Sophia erlebt.
Das Wesen des Bewusstseins
Wenn heutige Wissenschaftler auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz von Bewusstsein sprechen, dann verstehen sie es als das Resultat von vielen stattfindenden Prozessen im Gehirn. Wenn also in naher Zukunft die Computer dieselbe Verarbeitungsleistung haben werden wie das menschliche Gehirn, dann, so folgern sie, wird sich auch Bewusstsein einstellen.
Bei der inneren meditativen Sammlung dagegen werden die Prozesse des Gehirns zu beruhigen gesucht; je stärker sich dieses Bemühen entfaltet, um so klarer wird die Wahrnehmung der eigentlichen Natur des Bewusstseins. Dieses stellt das Gegenteil von dem in der Computerwissenschaft Angenommenen dar. Der Mensch wäre bei einer Überflutung von Reizen nicht in der Lage, Bewusstsein zu erfahren. Somit sind die Fähigkeiten des Gehirns nicht durch eine Unvollkommenheit der biologischen Grundlage begrenzt, sondern Ausdruck eines gesunden und notwendigen Verhältnisses zwischen Weltwahrnehmung und Ich-Entfaltung.
Die Bewusstwerdung eines Gefühls, eines Gedankens oder einer Sinneswahrnehmung, die wir durch einen äußeren oder inneren Reiz empfangen, ist nur möglich durch den eigenschaftslosen Hintergrund, den wir mit „Bewusstseinsleere“, umschreiben können und vor dem sich die Welt in ihrer Vielfalt erst offenbaren kann. In Bezug zu diesem inneren Hintergrund des „Nicht-Seins“ werden wir erst der Welt des gewordenen Seins gewahr.
In dem die Welt beinhaltenden Raum, der selbst das leere Gegenbild zu ihr ist, haben wir die äußere Entsprechung zu dem des Bewusstseins. Das Wort Bewusst - Sein drückt aus, dass es sich nicht um ein Objekt, sondern um einen Zustand handelt, der nur in der Intuition erfahren werden kann, indem wir mit ihm, mit unserer eigenen Wesenheit, identisch werden, Selbst-Sein erfahren. Seine Natur ist ursprünglich und somit frei von der physischen Grundlage und kann durch eine Steigerung von Prozessleistungen nicht erzeugt werden.
Was der Mensch auf der gegenwärtigen Entwicklung der Erde erschafft, wird immer ein durch die Materie gespiegeltes Geistiges sein. Die Täuschung durch das Abbild wird für das Ich des Menschen eine immer größere Herausforderung werden, wodurch er jedoch die Seelenfähigkeit entwickel kann, zwischen Urbild und Abbild zu unterscheiden.
Der „Wahre Mensch“
In der Schulung der Seele zur Realisierung dieses Bewusstseins wurden unterschiedliche Wege entwickelt, deren Gemeinsamkeit jedoch ist, auf direktem oder indirektem Wege, auf dem Weg der Erkenntnis oder der gläubigen Hingabe, eine innere Entwerdung von der Ich-Bezogenheit zu vollziehen. Dies bedeutet, sich aus der Identifizierung des Ich mit den in der Seele entstehenden Reaktionen auf die durch die Sinne gewonnenen Eindrücke herauszulösen. Dadurch wird alles, was von der Selbstwahrnehmung sowohl von der inneren als auch von der äußeren Welt verobjektiviert werden kann, als Nicht-Ich erkannt. Dieser Vorgang schließt die tiefsten Schichten des Seelenlebens nicht aus. Alle bindenden Vorstellungen, durch die sich das Selbstbewusstsein definiert, selbst wenn sie auf der sinnlich wirkenden Ebene ihre karmisch-gelebte Notwendigkeit und Berechtigung haben, müssen vom Ich gelöst werden, so dass sich ein Bewusstsein frei von allen Bekenntnissen wie beispielsweise: ein Christ, ein Buddhist oder ein Anthroposoph zu sein entfalten kann. Im Christentum, Buddhismus und der Anthroposophie ist der Christus zu finden aber nicht im Christ-, Buddhist- oder Antroposoph-Sein. Was sich am Ende dieses Entwerdungsprozesses offenbart, ist unser „ursprüngliches Angesicht“, das Bewusst-Sein in seiner Reinheit. Das uns vertraute „Ich“ bleibt in befreiter Form erhalten, da es sich nicht durch das egoistische Denken an eine Form bindet, sondern nur durch sich selbst ist. In dieser Erfahrung berühren wir den geistigen Anteil unseres Wesens, den äußeren „Mantel Gottes.“
Hier haben wir die erste Stufe des geistigen Erlebens zum Schauen des lebendigen Christus. Er führt uns auf dem Weg der Harmonisierung der Polaritäten zu der Sphäre der kosmischen Sophia, in der die Weisheit und die Wahrheit ihren Ursprung haben. Die Sphäre der Sophia wird als ein blaues, wie von unendlich vielen Sternen erfülltes, Bewusstseinsmeer erlebt.
Aus dieser Sphäre der Weisheit, in der die Keime der gewordenen Welt liegen, wird der „Wahre Mensch“, das Urbild unseres Erden-Ich, geboren. Hier haben wir im inneren Erleben, was sich auf der geschichtlichen Ebene in der Geburt des Jesuskindes durch die Maria ereignete. Die Sophia oder ihre Entsprechung auf Erden, Maria, was analog zu ihrer kosmischen Dimension Sophia im Lateinischen „Meere“ bedeutet, trägt einen blauen sternenbesetzten Mantel. Sowohl Sophia als auch Maria können jedoch das Licht nicht für sich aufnehmen, sondern gebären durch das kosmische Licht, den Christus, selbstlos das Kind, den „Wahren Menschen“. Hier offenbart sich die zweite Aussage des Christus: „Ich bin die Wahrheit“.
Dieses Kind der geläuterten Seele bildet die innere Voraussetzung, wie der Jesus bei der Taufe, den Christus, das Licht des Lebens unmittelbar aufzunehmen. In diesem inneren wie äußeren Vorgang vollzieht sich die dritte Aussage des Christus: „Ich bin das Leben“.
So haben wir den ersten Schritt, der darin besteht, aus der Kraft der Mitte die polaren Seelenkräfte zu harmonisieren, worin sich der Christus als der Weg offenbart. Die erste Stufe des geistigen Erlebens, die daraus folgt, ist die der kosmischen Sophia, der geläuterten Seele, die die lichtempfangende Schale bildet, um das Jesuskind, den „Wahren Menschen“ zu gebären. Auf der dritten Stufe durchdringt sich das Jesusbewusstsein mit dem Christuslicht, wobei die „Heilige Flamme“ im Herzen aufleuchtet und der Mensch eine neue Qualität des Lichtes wahrzunehmen beginnt. Durch diese sich immer stärker entfaltende Christuswirksamkeit offenbart sich das Licht als ein lebendiges, als ein Sinn-gebendes. Dieser Sinn, der uns Weg und Ziel ist, führt zu der Verwandlung vom Abbild des Erden-Ich zum Urbild.
So wie sich einerseits durch die wachsenden machtvollen Möglichkeiten der modernen Technik die Kräfte entfalten, das Leblose zu beherrschen, so bildet sich andererseits aus dem Christuslicht heraus ein geistiger Strom, um das Lebendige zu erkennen und es schließlich für die Harmonisierung der Erde und somit der ganzen Schöpfung einzusetzen.
Während die weiße Magie durch die Menschen, die sich mit dem Christus in der Bewegung der Erlösung verbinden, gebildet wird, entsteht die schwarze Magie durch diejenigen, die, wie Rudolf Steiner sagt, mit der Materie „Unzucht treiben.“ 1
Die ausgleichenden Seelenkräfte
Diese sich in der Menschenseele entfaltenden Stufen bilden die ausgleichenden Kräfte zu den Herausforderungen des Luzifer, Ahriman, der Asuras und des Sonnendämons Sorat.
Wir haben auf dem inneren Weg zum Schauen des Christus drei Stufen unterschieden:
1 Kosmische Sophia
2 Wahrer Mensch
3 Das Christuslicht
Bei jeder inneren Entwicklung muss das Ich in seiner Selbstverständlichkeit überwunden werden, worin jedoch die Gefahr liegt, es zu verlieren. Dieser Widerspruch kann jedoch überwunden werden.
In beiden Fällen, ob die polaren Seelenkräfte harmonisiert werden oder ihre Einseitigkeit entfalten, haben wir eine Entleerung des Ich-Bewusstseins. Entsteht, durch die sich widerstrebenden polaren Kräfte eine negative Ich-Leere, so können wir uns nicht mehr schützen und hemmende Wesenheiten suchen sich darin zu entfalten.
So wäre der Verlauf der Geschichte nicht nachvollziehbar, wenn man nur die menschliche Wesenheit eines Einzelnen als Quelle von unvorstellbarer Macht und Grausamkeit annehmen würde.
In einem Interview vom Juni 1971 beschreibt Hitlers Architekt Albert Speer den Eindruck, der ihm von diesem, nach vielen Jahren, geblieben ist: „Da gab es eine absolute Kälte um Hitler. Ich bin keinem anderen Menschen begegnet, bei dem ich so empfunden habe, dass da irgend etwas fehlt; der so den Eindruck vermittelte, dass da im Kern seines Wesens nichts ist als tödliche Leere.“
Als Rudolf Heß, dem „Stellvertreter des Führers,“ diese Aussage in seiner Gefangenschaft vorgelesen wurde, erwiderte er: „Das ist sehr richtig. Was Speer da über Hitler sagt, stimmt. Ich habe Hitler gegenüber genauso empfunden.“ 2
Durch die Harmonisierung der polaren Seelenkräfte entsteht ebenfalls eine „Leere“ doch diese ist nicht negativ, sondern durch ihre Unabhängigkeit von der Welt der Vorstellungen, positiv. Wir erfahren darin ein Ich-Bewusstsein, welches sich nicht durch die es überlagernden Eigenschaften definiert, sondern sein Sein in sich selbst erfasst. So wird der Widerspruch von Überwindung und Verlust aufgehoben.
In der Erfahrung der kosmischen Sophia sind die polaren Kräfte des Luziferischen und Ahrimanischen harmonisiert, umgewandelt in die Seelenkräfte der Hingabe und Aufmerksamkeit, welche den Seelenleib des erwachten Ich bilden. So haben wir in der uns aus der kosmischen Sophia erwachsenden Seelenkraft die ausgleichende innere Kraft dem Luziferischen und Ahrimanischen zu begegnen und dadurch in der Mitte zwischen den Himmels- und Erdenkräften zu ruhen. Diese Erfahrung lässt uns die kosmische Dimension unserer Wesenheit bewusst werden, wodurch sich die Wahrnehmung der sinnlichen Welt zu verändern beginnt. War das Bewusstsein zuvor verstärkt in dem vorderen Bereich des Hauptes zentriert und dadurch die Wahrnehmung innerhalb der sinnlichen Welt mehr auf die Konturen und die dadurch begrenzten Formen orientiert, so beginnt nun durch das Ergreifen der räumlich-kosmischen Dimension der Umraum allgemein und um das Haupt erlebbar zu werden. Das Verhältnis zu der eigenen Körperlichkeit ist nicht mehr nur ein Innenwohnendes, sondern auch ein Beinhaltendes, wodurch die äußeren Formen der sinnlichen Welt nun ebenfalls als vom Raum umfasst gesehen werden.
Jede innere Entwicklung hat ihr negatives Spiegelbild und so, wie wir in Christus das zu entfaltende kosmische Menschheits-ICH vor uns haben, wirkt der Sonnendämon Sorat gegen diesen Christusstrom, indem er die menschliche Entwicklung in die kosmische Dimension des Seins zu verhindern sucht.
Auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe der Bewusstseinsseele stehen wir vor dem Tor zur geistigen Welt und können es öffnen, indem wir unsere Bindung an den physischen, das Erden-Ich spiegelnden Leib, überwinden. Doch gerade diesen physischen Leib, welcher die Bühne kosmischen Schauspiels darstellt und dadurch dessen Abbild ist, versucht Sorat aus dem Strom der Erlösung herauszuziehen, indem er ihn aus den Kräften der Vorstellungen durch die modernsten Techniken neu zu erschaffen sucht, um das Bewusstsein des Menschen an das physische Dasein zu binden. Um dieser Versuchung zu begegnen, wird sich dasjenige Bewusstsein, was wir mit dem „Wahren Menschen“ verbunden haben, immer mehr mit Christus durchdringen müssen.
Vermögen wir nicht diese innere Wandlung zu vollziehen, so wird die weitere menschliche Entwicklung immer mehr ein Abbild des Hauptes ohne Herzenswärme sein.
Da wir jedoch in einer Welt leben, deren Existenz auf Polarität beruht, werden wir den Versuchermächten nicht gerecht, wenn wir sie ausschließlich als das „Böse an sich“ verstehen, denn, um das wahre ICH, den Christus, zu erkennen und sich aus innerer Freiheit für ihn zu entscheiden, brauchen wir diese Polarität.
So kann das Anliegen nicht sein, die Gegenkräfte auszugrenzen, sondern sie zu integrieren, um ihnen ihren Platz zuzuweisen, auf dem sie dem Ganzen förderlich dienen können. Wenn wir das, was wir als die Gegenkräfte erleben, in unserer Anschauung als das „Böse“ isolieren, verleihen wir ihm eine eigenständige Macht über uns.
So ist es von großer Bedeutung, nicht in Angst und Pessimismus in Bezug auf die zukünftige Erdenentwicklung zu verfallen, sondern Vertrauen in das Leben, das Gute darin und in dessen Ziel und Vollendung zu haben, um dadurch die der weiteren Entwicklung dienenden Kräfte förderlich zu begleiten.
1 GA 104, 29. 6. 1908
2 Eugene K. Bird, Hess, München 1974, S. 259.
Artikel von Zoran Perowanowitsch | Buchvorstellung | ||||