Christus ist ein Sonnengeist, ein Feuergeist.

Sein Geist ist es, der sich uns im Sonnenlicht offenbart. Sein Lebensodem ist es, der in der Luft die Erde umspült und der mit jedem Atemzug in uns eindringt. Sein Leib ist die Erde, auf der wir wohnen. Tatsächlich nährt Er uns mit Seinem Fleisch und Blut, denn was wir auch aufnehmen an Speise, es ist von der Erde, aus Seinem Leibe genommen.

Wir atmen Seinen Lebenshauch, den Er uns durch die Pflanzendecke der Erde zuströmt.

Wir schauen in Seinem Lichte, denn das Licht der Sonne ist Sein Geistes-Strahlen. Wir leben in Seiner Liebe, auch physisch; denn was wir an Wärme von der Sonne empfangen, ist Seine geistige Liebeskraft, die wir als Wärme empfinden.

Und unser Geist wird von Seinem Geiste angezogen, wie unser Leib gefesselt ist an Seinen Leib.

Darum muss unser Leib geheiligt werden, weil wir auf Seinem Leibe wandeln. Die Erde ist Sein heiliger Leib, den wir mit den Füßen berühren. Und die Sonne ist die Kundgebung Seines heiligen Geistes, zu der wir aufschauen dürfen. Und die Luft ist die Kundgebung Seines heiligen Lebens, das wir in uns aufnehmen dürfen.

Damit wir uns unseres Selbst, unseres Geistes bewusst würden, damit wir selbst Geistwesen würden, opferte sich dieser hohe Sonnengeist, verließ Seine königliche Wohnung, stieg herab aus der Sonne und nahm physische Gewandung an in der Erde. So ist Er physisch in der Erde gekreuzigt.

Er aber umspannt geistig die Erde mit Seinem Licht und Seiner Liebeskraft, und alles, was darauf lebt, ist Sein Eigentum. Er wartet nur darauf, daß wir Sein Eigen sein wollen. Geben wir uns Ihm ganz zu eigen, so gibt Er uns nicht nur Sein physisches Leben, nein, auch Sein höheres, geistiges Sonnenleben. Dann durchströmt Er uns mit Seinem göttlichen Lichtgeist, mit Seinen wärmenden Liebesstrahlen und mit Seinem schöpferischen Gotteswillen.

Wir können nur sein, was Er uns gibt, wozu Er uns macht. Alles, was an uns dem göttlichen Plan entspricht, ist Sein Werk. Was können wir dazu tun? Nichts, als Ihn in uns wirken lassen. Nur, wenn wir Seiner Liebe widerstreben, kann Er nicht in uns wirken.

Wie könnten wir aber dieser Liebe widerstreben? Dem, der da spricht: «Ich habe Dich je und je geliebt und habe Dich zu mir gezogen aus lauter Güte.»

Er hat uns geliebt von der Erde Urbeginn an. Wir müssen Seine Liebe in uns zum Wesen werden lassen. Nur das bedeutet wirkliches Leben; nur da ist wahrer Geist, wahre Seligkeit möglich, wo uns dies Leben ein wesentliches Leben wird, das Christus-Leben in uns.

Nicht von uns aus können wir selbst rein und heilig werden, sondern nur von diesem Christus-Leben aus. All unser Streben und Ringen ist vergebens, solange uns nicht dies höhere Leben erfüllt. Das allein kann wie ein lauterer, reiner Strom alles hinwegspülen aus unserem Wesen, was noch ungeläutert ist.

Es ist der Seelengrund, aus dem dies reinigende Lichtleben aufsteigen kann. Dort müssen wir unsere Wohnung suchen, zu Seinen Füßen und der Hingabe an Ihn. Dann wird Er uns selbst umwandeln und uns selbst mit Seinem göttlichen Liebesleben durchströmen, bis wir licht und rein werden wie Er; Ihm ähnlich. Bis Er sein göttliches Bewußtsein mit uns teilen kann.

Durch Sein Licht muss die Seele rein, d. h. weise werden; so kann sie mit Seinem Leben sich vereinigen. Dann ist das die Vereinigung von Christus und Sophia, die Vereinigung des Christus-Lebens mit der durch Sein Licht geläuterten Menschenseele.

Rudolf Steiner, Hannover, 24. September l907, GA 266, Band 3, S. 346


Artikel von Zoran Perowanowitsch